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aus aller Welt

Reisen Sie mit mir durch die Welt. 

Hier lesen Sie ausgewählte Reportagen und Berichte aus Lateinamerika, Asien und Afrika. 

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Mosambik 

Kleine Brötchen, große Wirkung

erschienen im Magazin der Welthungerhilfe, Heft 4/2011

Eine Bäckerei in Mosambik. Auftragsreise für die Welthungerhilfe

In der neuen Bäckerei im mosambikanischen Namaacha gibt es Leckeres, vor allem aber auch Ausbildungschancen.

Mit einer Lehrbäckerei schlagen die Salesianerinnen im Süden von Mosambik gleich drei Fliegen mit einer Klappe: Sie verdienen Geld für den Unterhalt ihres Mädchenheims, versorgen knapp 100 Waisenkinder täglich mit frischem Brot und bieten den Menschen vor Ort konkrete Ausbildungschancen. Eine Kooperation der Welthungerhilfe mit der Heiner Kamps Stiftung "Brot gegen Not" und der Christian-Liebig-Stiftung macht’s möglich.

Die Morgensonne versteckt sich noch hinter den Hügel von Namaacha, aber in der Backstube des Mädchenheims Maria Auxiliadora herrscht bereits Hochbetrieb. Knusprige Brötchen füllen die Körbe und kühlen langsam aus, Sauerteig- und Toastbrote bräunen im modernen Etagenbackofen, die elektronischen Mixer vermengen Teig für Kopenhagener und Kleingebäck. Die Profigeräte knattern und brummen. Alle paar Minuten ertönt ein schriller Gong - das Signal für Marcus Chongo, die nächste Lage aus dem Ofen zu holen. Marcus Chongo, 23 Jahre alt, ledig und in der Hütte der Eltern lebend, ist einer der ersten Auszubildenden in dem einzigen Lehrbetrieb von Namaacha. „Ich bin sehr glücklich, diese Chance zu bekommen“, sagt der angehende Bäcker. Bis vor kurzem hat er in einer kleinen Backstube für umgerechnet 45 Euro im Monat gearbeitet. Das entsprach nicht einmal dem monatlichen Mindestlohn von 67 Euro. Den erhält er jetzt mit Aussicht auf Lohnerhöhung nach drei Monaten. „Hier lerne ich richtig viel und kann nach einem Jahr vielleicht in einem Hotel arbeiten oder mich selbständig machen“, meint der junge Mosambikaner. Nach einem kurzen Blick in den Ofen, widmet er sich schnell wieder seiner Arbeit. Er hat keine Zeit zum Reden: Neben der normalen Tagesration für das Frühstück im Waisenheim und den Verkauf im Laden steht die Sonderproduktion für den großen Empfang an. Bis elf Uhr müssen Häppchen, Torten und Kleingebäck hübsch dekoriert bereitgestellt sein. Alle steuern etwas bei Die Padaría São José feiert heute, am 18. November, ihre offizielle Eröffnung. Geladen sind Vertreter der Gemeinde, der Kirche, der Deutschen Botschaft in der Hauptstadt Maputo, sowie Nachbarn, Freunde und Förderer der Salesianerinnen. Der katholische Frauenorden ist Ideengeber und Betreiber der Bäckerei. Den Bau hat die Christian-Liebig-Stiftung finanziert, Ausstattung und Know-How liefert die Heiner Kamps Stiftung „Brot gegen Not“. Sie schickt auch ehrenamtliche Bäcker aus Deutschland für jeweils drei Monate nach Namaacha, um Marcus Chongo und seinen sechs Kollegen das Bäckerhandwerk zu lehren. Den Kontakt zwischen den Stiftungen und den Salesianerinnen hat die Welthungerhilfe hergestellt. Sie unterstützt die Schwestern Maria Auxiliadora seit 1996. Damals begann der Wiederaufbau des vom Bürgerkrieg zerstörten Mädcheninternats. 2002 zogen die ersten neun Kinder ein. Inzwischen beherbergt das Heim 97 Waisenmädchen von vier bis 18 Jahren. Die Schule ist renoviert und bietet 800 Kindern aus der Gemeinde Namaacha staatlich anerkannten Unterricht bis zur elften Klasse. Der angrenzende Kindergarten betreut 300 Jungen und Mädchen. Der soziale Großbetrieb ist aus der Stadt an der Grenze zum Königreich Swasiland nicht mehr wegzudenken. „Die Bäckerei erfüllt drei Funktionen“, erklärt Schwester Orsolina. „Wir stellen das Brot fürs Internat selbst her, bilden aus und nehmen Geld ein.“ Die 72 Jahre alte Italienerin ist mit ihren Mitschwestern ständig auf der Suche nach neuen Finanzquellen. Sie haben bereits eine hauseigene Schneiderei aufgebaut, in der die älteren Mädchen aus dem Heim Schuluniformen für den Verkauf nähen und nebenbei ein Handwerk lernen. Auch der Obst- und Gemüseanbau sowie die Hühnerzucht funktionieren als Lehr- und Wirtschaftsbetriebe. Mit der Bäckerei ist eine weitere Säule entstanden. Mittelfristig sollen auch hier Mädchen aus dem Internat ausgebildet werden, um neue Berufschancen zu bekommen. Der Festakt wird ein voller Erfolg. Der Priester segnet die Bäckerei mit Gebeten und Weihwasser, die Geldgeber aus Deutschland durchtrennen das Band am Eingang und der Vertreter der Gemeinde Namaacha hält eine langatmige Rede. Die Kleinen aus dem Kindergarten tragen Gedichte vor und eine Tanzgruppe aus dem Heim präsentiert eine eigene Choreographie in selbstgenähten Gewändern. Das Buffet ist reichhaltig, die Stimmung ausgelassen. „Die Leute hier sind gut“, lobt Bäckermeister Christian Cornilsen sein Team. Der Ehrenamtliche aus Pellworm klopft seinen Azubis anerkennend auf die Schultern. „Very good“, röhrt er mit einem breiten Grinsen. In einem Jahr soll die Bäckerei ohne Hilfe aus dem Ausland funktionieren. Dann beginnt der nächste Jahrgang die Ausbildung. Vielleicht übernimmt Marcus Chongo dann das Steuer. Über eine Festanstellung würde er sich freuen. Zusammenarbeit, die Früchte trägt. Die Christian-Liebig-Stiftung unterstützt Bildungsprojekte für Kinder und den Bau von Schulen in Afrika. Mit der Welthungerhilfe kooperiert sie bereits im mosambikanischen Millenniumsdorf Mabote. Die Heiner Kamps Stiftung „Brot gegen Not“ fördert die Berufsausbildung im Bäckerhandwerk weltweit. Neben der Ausstattung der Ausbildungsbackstuben entsendet sie ehrenamtliche Bäcker für jeweils drei Monate, die jungen Menschen in armen Ländern das Bäckerhandwerk lehren. Erschienen ist auch eine 10-minütige Radioreportage bei NDR Info

Mosambik

Bolivien

erschienen in Projekinfo Bolivien/Brot für die Welt, 2023

Lithiumabbau bedroht Mensch und Natur

Lithiumabbau im Salar de Uyuni, Bolivien. Recherchereise für Brot für die Welt

Im Salar de Uyuni lagern gigantische Lithiumvorkommen. Der Staat will diesen Schatz heben. Doch die Folgen für Mensch und Natur könnten katastrophal sein. Eine lokale Partnerorganisation von Brot für die Welt betreibt Aufklärungsarbeit.

„Uns läuft die Zeit davon“, ruft Edson Muraña ins Gemeindezentrum von Julaca. Während draußen der Wind über den staubigen Dorfplatz pfeift und mit voller Wucht am Wellblechdach rüttelt, sitzen drinnen ein Dutzend Männer und Frauen mit breitkrempigen Hüten, Ponchos und bunten Webtüchern und starren fassungslos auf eine weiße Tafel mit Skizzen, Zahlen und Fakten. Umweltexperte Gonzalo Mondaca von CEDIB, einer Partnerorganisation von Brot für die Welt, hat ihnen gerade die Ergebnisse seiner Studie über die möglichen Folgen des Lithiumabbaus in ihrer Heimat vorgetragen. Der Ausblick auf extremen Wassermangel, riesige Müllberge, ungeklärte Abwasser und wenig Geld in den Kommunen hängt bleiern im Raum. Eine junge Mutter erhebt sich. „Ich bin erschüttert“, sagt sie mit bebender Stimme. „Wovon sollen wir in Zukunft leben?“ Edson Muraña, Repräsentant der indigenen Gemeinden rund um den Salar de Uyuni, pflichtet ihr bei: „Genau darum geht es, Schwestern und Brüder! Es ist Zeit, dass wir unsere Stimme erheben. Dies ist unser Land!“ Ein Raunen geht durch die Stuhlreihen. Köpfe nicken, die lokale Indigenenvertreterin steht mit ihrem Neugeborenen auf dem Rücken auf und erklärt erhobenen Hauptes: „Wir sind dabei!“ Ein einzigartiges Ökosystem Das kleine Dorf Julaca liegt auf einer Halbinsel im Salar de Uyuni. Der größte Salzsee der Erde umfasst knapp 11.000 Quadratkilometer. Die schier endlose weiße Fläche ist mehr als vier Mal so groß wie das Saarland und erstreckt sich auf einer Höhe von 3.653 Metern zwischen den majestätischen Gipfeln der Anden. Seltene Spezies wie Flamingos, Adler oder Vicuñas – wilde Verwandte der Lamas – leben in dem einzigartigen Ökosystem. Meterhohe Kakteen, Heilkräuter und Hochmoore bilden die abwechslungsreiche Flora der umgebenden Berglandschaft. Die Menschen hier leben seit Jahrhunderten vom Quinoaanbau, der Lamazucht und dem Salzabbau. Inzwischen ist auch der Tourismus eine wichtige Einkommensquelle. Doch unter der massiven Salzkruste des Salar de Uyuni und seiner benachbarten Salzseen lagern auch die größten Lithiumvorkommen weltweit. Satte 21 Millionen Tonnen, knapp ein Viertel aller weltweiten Ressourcen, haben sich über Jahrtausende hinweg in der mineralhaltigen Sole gebildet. Wegen seiner hohen Leitfähigkeit gilt Lithium als wichtiger Rohstoff für die Energiewende. Das Leichtmetall bildet die Grundlage für leistungsstarke Batterien von Elektroautos, Smartphones und Solarstromspeichern. Seit 2008 will die bolivianische Regierung diesen Schatz heben, um den Rohstoff im eigenen Land zu verarbeiten und so die Armut zu bekämpfen. Darauf hoffen auch viele Menschen in der Region. Sogar Edson Muraña sieht darin ein Entwicklungspotenzial seiner Heimat. „Wir wollen mitentscheiden“ „Die Lithiumförderung bietet Chancen – aber nur, wenn die Gewinne in der Region bleiben und die Umwelt geschützt wird“, sagt Edson Muraña am Tag darauf vor der lehmverputzten Berghütte seiner Familie. In der bescheidenen Unterkunft ohne Strom und Toilette verbringen seine Mutter und sein Großvater viele Nächte, um die 78 Lamas der Familie zu hüten und ihren Hektar Land zu bestellen. Edson Muraña ist heute gekommen, um ein Tier von einem Stück Stacheldraht zu befreien. Dafür braucht es Kraft und Ausdauer, die Mutter Ema Flores Cabrera, 59, und Großvater Jesús Flores, 90, nicht mehr haben. Normalerweise arbeitet der älteste Sohn der Familie in der Bergbaufirma eines Cousins in der Stadt Potosí, sechs Autostunden entfernt. Wenn seine Mutter Unterstützung braucht, ist er aber schnell zur Stelle. „Das hier ist meine Heimat“, sagt der erdverbundene Bauernsohn. „Unsere Kinder sollen hier einmal ein gutes Leben haben. Deshalb wollen wir mitentscheiden, ob und wie Lithium abgebaut wird.“ Am Vormittag hat er vor der Pilotfabrik für Lithiumkarbonat in Llipi mit ihren 45 Hektar großen Verdunstungsbecken mit Vertretern der streikenden Bauerngewerkschaft FRUTCAS gesprochen. Die Fabrik steht still. Nur das Abfallprodukt Kaliumkarbonat wird als Düngemittel produziert. Die Gewerkschaft hatte sich ursprünglich dafür eingesetzt, Lithium zu fördern. Jetzt fordert sie ein stärkeres Mitspracherecht für die Bevölkerung und Informationen über die Verträge mit dem chinesischen Konsortium CBC, die die Regierung von Präsident Luis Arce gerade abgeschlossen hat. „Das Pilotprojekt läuft jetzt bereits seit 15 Jahren. Doch die Bevölkerung hat keinerlei Nutzen davon“, meint Edson Muraña. „Es gibt kaum Arbeitsplätze, keine Investitionen in Bildung, Krankenhäuser oder die Infrastruktur unserer Dörfer.“ Die Jungen wanderten deshalb ab, zurück blieben nur die Alten. „Ich mache mir große Sorgen um unser Wasser, denn der Lithiumabbau verbraucht riesige Mengen davon und wir leben in einer wüstenähnlichen Gegend.“ Verheerende Informationspolitik Um die Interessen der ansässigen Bevölkerung voranzutreiben, hat sich Edson Muraña im vergangenen Jahr in die höchste politische Vertretung der Lípez wählen lassen. Die indigene Volksgruppe wird bislang vom bolivianischen Staat nicht als eigenständige Ethnie anerkannt. Das soll sich nun ändern. „Wir gehören nicht zu den 36 in der Verfassung anerkannten Ethnien, weil unsere Vorgänger sich nicht darum bemüht haben“, erklärt der 33-Jährige. „Außerdem gilt unser Territorium wegen seines Rohstoffreichtums als strategisch wichtiges Staatsgebiet.“ Erhalten die Lípez die offizielle Anerkennung, steigen ihre Chancen, auf die Entwicklung am Salar de Uyuni Einfluss nehmen zu können. Laut Gesetz muss die Bevölkerung bei Großprojekten wie der Lithiumförderung im Vorfeld eingebunden werden. Machbarkeits- und Umweltstudien müssen die Auswirkungen auf Mensch und Natur prüfen. „Die Regierung verweigert aber jegliche Information“, schimpft Edson Muraña. Deshalb hat er zusammen mit dem Dokumentations- und Forschungszentrum CEDIB eine Aufklärungskampagne in seinem Landkreis Colcha K organisiert. Fünf Tage lang fährt er mit einem Team der Partnerorganisation von Brot für die Welt von Dorf zu Dorf, um auf Plätzen und Schulhöfen, in Gemeinschaftszentren und Klassenzimmern über Chancen und Risiken des Lithiumabbaus zu informieren. Im Einklang mit der Natur Nachdem das Lama vom Stacheldraht befreit ist, setzt sich Edson Muraña ans Steuer seines Autos. Er schwitzt und schnauft. Erschöpft fährt er seine Mutter zum Haus der Familie im Kreisstädtchen Colcha K. Sie muss dort morgen früh den Gemüsegarten bewässern, zu Fuß dauert der Weg zwei Stunden. Großvater Jesús Flores ist auf der Berghütte geblieben. „Mein Opa liebt die reine Luft dort oben und will die Lamas nicht allein lassen“, sagt Edson Muraña. Der Großvater ist sein großes Vorbild. So friedlich und genügsam will er später auch einmal mit seinen Tieren leben, vorausgesetzt, die Natur bleibt intakt und es gibt ausreichend Wasser. „Der Lithiumboom wird vorübergehen“, meint Edson Muraña und unterdrückt ein Gähnen. „Doch wir wollen uns danach immer noch von unserem Land ernähren können.“

Bolivien

Kuba

erschienen in Eine Welt, Heft 3/2015

Ein Leben voller Widersprüche

Motorradrallye in Santiago de Cuba

© Heiner Heine

Einmal im Jahr trifft sich der kubanische Motorradclub LAMA (Asociación Latino Americana de Motociclistas) zur nationalen Rallye. In diesem Jahr organisierte die Abteilung aus Santiago das viertägige Event. Mitten drin: Medardo Rosales und seine Frau Maira.

Böse und gefährlich sehen die Biker vom kubanischen Motorradclub LAMA aus: schwarze Kutte, tätowierte Arme, lange Bärte und mächtige Bäuche – schwere Jungs halt, wie alle Rocker auf der Welt, möchte man meinen. Mit dröhnenden Motoren knattern sie auf ihren Maschinen über die Landstraße von Santiago de Cuba Richtung Guantánamo, rund 100 Kisten verschiedenster Hersteller, die meisten davon Oldtimer aus vorrevolutionären Zeiten oder Maschinen aus osteuropäischer Produktion: schwere Harleys, britische BSA oder Triumph, eine BMW Baujahr 1957, ab und zu mal eine tschechische Jawa und immer wieder eine Simson oder MZ aus der DDR. Tatsächlich sind die Teilnehmer des fünften nationalen Motorrad-Treffens butterweiche Familienväter und -mütter. Zwei Tage lang sind sie gemütlich durch Santiago und Umgebung kutschiert. Im Begleitbus reisen sogar ein paar Kinder, Tanten und Onkels, Omas und Opas mit. Gemeinsam besuchten sie den Platz der Revolution, die katholische Wallfahrtskirche der Barmherzigen Jungfrau von Cobre, die Moncada- Kaserne, bei deren Erstürmung Fidel Castro und seine Guerrilla-Kämpfer am 26. Juli 1953 bei ihrem ersten Revolutionsversuch gescheitert waren. Die Motorradgang war im Kabarett, im Museum und im Theater und spazierte bei sommerlichen Temperaturen in voller Montur durch das Zentrum des 500 Jahre alten UNESCO-Weltkulturerbes Santiago. Am letzten Tag rollen sie nun durch das Biosphärenreservat Bacanao östlich der Stadt. Der erste Halt ist der prähistorische Familienpark – und so dröhnen die Dinosaurier-Motorräder an den überdimensionierten Neandertalern und Steinzeitechsen vorbei und bringen die anderen Sonntagsausflügler zum Staunen. Brüderlichkeit unter den Bikern „Wir lieben alle leidenschaftlich Motorräder“, erklärt Medardo Rosales auf dem Parkplatz. „Unsere Werte sind Freundschaft, Brüderlichkeit, Respekt und Toleranz.“ Er ist von seinem MZ-Gespann gestiegen und hat den metallic-blauen Harley-Helm über den Spiegel gehängt. Wenn der Fahrtwind seine ärmellose Lederweste nicht mehr aufbläht, kommt darunter ein schlanker, kurzgewachsener Rentner mit leichtem Bauchansatz zum Vorschein. Die Haare sind ergraut. Im Ausschnitt seines schwarzen T-Shirts mit gelbem Vereinslogo verschwindet eine schwere Silberkette. Langsam streift er die Überzieher mit den Tattoos von seinen Armen. „Wenn du hier ohne Sonnenschutz fährst, verbrennst du dir sofort die Haut“, sagt der ehemalige Chemieingenieur mit einem breiten Grinsen. Seine Frau Maira schält sich aus dem Beiwagen heraus, schüttelt die kupferroten Locken und begutachtet sich im Spiegel. „Oh nein“, ruft sie entsetzt, „ich hab die Sonnencreme vergessen!“ Das Ehepaar Rosales gehört seit drei Jahren zur Lateinamerikanischen Motorradfahrer Vereinigung LAMA (Asociación Latino Americana de Motociclistas) in Santiago. „Am Tag der Studenten fuhren die Leute vom Verein durch die Innenstadt“, erinnert sich die 50-jährige Maira Ledo und strahlt. „Das war für uns wie eine Offenbarung!“ So viele Motorräder auf einen Schlag hatte das Paar noch nie gesehen – obwohl Santiago de Cuba die heimliche Hauptstadt alter Maschinen ist und Medardo Rosales schon immer ein Motorrad besessen hat. Kurzerhand entschlossen sich die Ehepartner, dem Club beizutreten. „Seitdem sind wir bei jedem Treffen und Event dabei“, sagt Medardo Rosales. Als Mitglied der Kommunistischen Partei und Blockwart des Komitees zur Verteidigung der Revolution (CDR, Comités de Defensa de la Revolución) in seinem Wohnviertel, verwaltet er die Mitgliedskartei. Er kennt jedes polizeiliche Führungszeugnis seiner 15-köpfigen Gruppe aus Santiago. „Alles gute Leute“, versichert der überzeugte Revolutionär. Als Motorradfreak nimmt Medardo Rosales die Revolution nicht immer so genau: „Hier bei der nationalen Rallye sind auch Leute aus Puerto Rico, Mexiko, Kanada und den USA dabei“, sagt er und erzählt genüsslich, wie ein paar Nordamerikaner, die laut Parteiprogramm Imperialisten sein müssten und damit zum Feindbild gehören sollten, ihre Maschinen über Drittländer nach Kuba geschleust haben. Wegen des Embargos sollte das unmöglich sein, aber in Kuba ist vieles machbar. Sonst könnte sich der Rentner Rosales den ganzen LAMA-Luxus auch gar nicht leisten: Zehn US-Dollar im Jahr überweist er an den internationalen Vereinssitz in Chicago, 50 nationale Peso (knapp zwei Euro) gehen jeden Monat an die kubanische Abteilung. „Ich wollte immer gut leben“ Im vergangenen Jahr fuhr er zur nationalen Rallye mit seiner Maira ins tausend Kilometer entfernte Pinar de Río. Für die Bahnfahrt nach Havanna, Benzinkosten und Übernachtung in einer privaten Unterkunft legte er satte 500 CUC (konvertible Peso) auf den Tisch, das sind 465 Euro oder das eineinhalbfache Jahresgehalt seiner letzten Anstellung als leitender Ingenieur in einem staatlichen Institut. „Ich wollte immer gut leben“, erklärt der dreifache Vater, der seit 30 Jahren mit Maira verheiratet ist und einen gemeinsamen Sohn mit ihr hat. Der lebt mit seinen 27 Jahren noch bei den Eltern und fährt selbstständig Taxi – sofern das Lada funktioniert. Ersatzteile sind rar. Bei Auto- und Motorradreparaturen muss ständig improvisiert werden – wie allgemein im kubanischen Alltag. Medardo Rosales hatte bis zu seinem 55. Lebensjahr fünf Jobs gleichzeitig: die Anstellung am Institut plus zwei Verträge als Professor an der Universität. Nebenbei ließ er Schweine und Lämmer züchten und verkaufte selbstgeröstete Erdnüsse. „Während der Spezialperiode habe ich fast alle meine Bücher zerrissen und die Seiten als Tüten für die Nüsse gerollt“, sagt er und lacht. „Das ist normal. Wir Kubaner sind einfach kreativ!“ Seine Frau kündigte vor 16 Jahren ihre Anstellung als Chemikerin in einer Pharmafabrik und begann mit der Vermietung von Privatzimmern. „Da verdient man viel mehr als beim Staat“, sagt die tüchtige Unternehmerin. Nur so konnte das Paar trotz aller Krisen, Nöte und überhöhten Benzinpreisen das metallic-grün lackierte MZ-Gespann Baujahr 1986 halten. Inzwischen vermieten die Rosales fünf Zimmer mit oder ohne Verpflegung an internationale Salsa- oder Spanischschüler und Individualtouristen. Damit verdienen sie so viel, dass der Chef des Hauses im vergangenen Jahr beinahe zum internationalen LAMA-Treffen nach Puerto Rico gereist wäre. „Ich hatte eine Einladung, habe aber leider kein Visum bekommen“, sagt er, zuckt mit den Schultern und spricht seinen Standardsatz: „Das ist normal.“ Die Polizei ist dabei, nimmt es aber nicht so genau Normal ist in Kuba auch, dass die Polizei die angemeldete Motorrad-Rallye eskortiert. Mit blinkenden Signalen und jaulenden Sirenen begleiten vier Staatsbeamte die Karawane mit ihren schwarzen Moto Guzzis. Auch die Polizisten genießen diesen Ausflug. Bei jedem Halt fachsimpeln sie mit den Bikern. Im Transportmuseum bestaunen sie den Cadillac der Musiklegende Benny Moré, gigantische Buicks aus den 50er Jahren und antike Oldtimer. Vor allem ein Ford A Modell Roadster zieht ihre Aufmerksamkeit auf sich: Er gehörte der Mutter der beiden Castro-Brüder. Raúl, der amtierende Präsident, übergab ihn 1989 an das Transportmuseum in seiner damaligen Funktion als Armeechef. „Tolle Autos“, findet Hilbert Crespo und redet stolz ein paar Sätze auf Deutsch. Der MZ-Fahrer aus der Provinz Sancti Spíritus, arbeitete von 1983 bis 1987 im Chemiekombinat Bitterfeld. Bei seiner Rückreise überführte er seine ETZ 250 in die Heimat. Angeblich war dies die erste MZ auf der gesamten Insel. Nicht alles stimmt, was in Kuba erzählt wird. Am frühen Nachmittag erreicht die Motorradschlange ihr Ziel: In der Bucht Pedro el Cojo wartet bereits ein Laster mit eisgekühlten Getränken. Ein Koch schleppt drei zubereitete Spanferkel heran. Schnell springen Maira und andere Helfer aus Santiago herbei und verteilen die duftende Mahlzeit. Zum warmen Schweinefleisch gibt es einen abgepackten Teller Reis mit Bohnen und Krautsalat. Das Essen ist wie alle Eintrittsgelder und Übernachtungen in Großunterkünften im Mitgliedsbeitrag enthalten. Nur die Getränke müssen extra bezahlt werden. Davon gibt es reichlich – die Schlange vor der Bierausgabe reißt in der ersten Stunde nicht ab. Der Tag ist warm und die trockene Luft macht durstig. Die Polizisten drücken zwei Augen zu und ruhen sich ein wenig am Strand aus. Irgendwann ertönt eine Sirene. Die Biker trudeln zu ihren Motorrädern zurück, manche schwanken ein wenig, dann machen sie sich startklar, ziehen die Armschützer über, binden sich die Piratentücher um den Kopf, setzen die Helme auf und schmeißen ihre Maschinen an. Mit lautem Gedröhne geht es zurück nach Santiago. Die Passanten bleiben stehen und gaffen ehrfurchtsvoll auf die harten Biker, die mit wehenden Nationalflaggen ganz gemächlich die Stadt erobern.

Kuba

Peru

erschienen in Eine Welt, Heft 2/2012

Fußball als Therapie

Peru: Fußball als Therapie. Recherchereise für die Welthungerhilfe

© Karin Desmarowitz

Ruhm und Geld stehen auf dem Spiel, wenn im Juni 16 Fußballmannschaften in Polen und der Ukraine um die Europameisterschaft spielen. Wenn Frauen in Peru um das runde Leder kämpfen, steht etwas ganz anderes dahinter.

Gladis hat die erste Halbzeit verpasst. Sie musste ihrer Mutter noch im Haushalt helfen, bevor sie zu Fuß zum Turnier kommen konnte. Eine Stunde dauert der Weg über die Hügel. Jetzt steht es Null zu Eins für Catalinayocc, wie konnte das passieren? Entschlossen legt die 15-Jährige ihren Hut auf die Tribüne, streicht den Rock noch einmal glatt und stürmt aufs Feld. Ihr Team hat Anstoß und los. Regen prasselt auf den Betonboden, Pfützen spritzen, Sandalen fliegen durch die Luft - die sind fürs Fußballspielen wirklich nicht gemacht - aber den Spielerinnen ist das alles völlig egal. Kreischend und lachend rennen sie über den Platz, zwölf junge Frauen mit pechschwarzen Zöpfen, bunten Röcken und selbstgestrickten Leggings. Die Zuschauer auf den Tribünen johlen und grölen. „Maura, was ist mit deiner Abwehr?“, ruft einer, „geh‘ ran an den Ball“, ein anderer, oder: „Carmen, beweg dich!“ Frauenfußball finden auch die Männer toll „Früher haben hier nur Jungs Fußball gespielt“, sagt Olpeano Ccallocunto. „Seit ein paar Jahren spielen auch die Frauen und das finde ich toll!“ Der alte Mann kommt gerade vom Feld. Zusammen mit seinen Nachbarn hat er Bäume gepflanzt, einen ganzen Hang voll. Jeder hat 30 bis 50 Setzlinge mitgebracht, die sollen später den Boden schützen, Feuchtigkeit halten und Schatten spenden. Es muss endlich wieder bergauf gehen in den Hochlanddörfern oberhalb der Kolonialstadt Ayacucho. Viel zu lange hat hier der Bürgerkrieg getobt, viel zu brutal war der Kampf zwischen der linken Guerillaorganisation „Leuchtender Pfad“ und dem peruanischen Militär. Bei allen Gräueltaten standen die Dorfbewohner zwischen den Fronten. „Fußball hilft uns, unsere Gefühle auszudrücken“ Zum Glück gehört das alles der Vergangenheit an. Bevor er auf seinen Kartoffelacker geht, gönnt sich Olpeano Ccallocunto, 63 Jahre und mehrfacher Großvater, eine kleine Pause. Ein Fußballturnier gibt es schließlich nicht alle Tage in der Anden-Gemeinde Quispillaccta. Tor für Puncopata! Gladis fällt ihrer Heldin jubelnd um den Hals. Ausgleich, Eins zu Eins! Die gegnerische Torhüterin stampft wutentbrannt mit den Füßen auf, so ein Elend, kurz vor Abpfiff noch einen rein zu bekommen. Genervt angelt sie den Ball aus dem Netz und motzt ihre Abwehrspielerinnen an, aber das nützt jetzt auch nichts mehr. Nach zwei Mal zehn Minuten endet die Partie unentschieden. „Fußball ist unsere Therapie“, sagt Marcela Machaca Mendieta. „Es hilft uns, unsere Gefühle auszudrücken.“ Die lagen jahrelang vergraben unter Angst und Schrecken. Guerilla und Militär gaben sich nichts: Jeder zerrte an der Bevölkerung, wer nicht kooperierte, geriet in Verdacht, auf der Seite des Gegners zu stehen - ein aussichtsloses Spiel für die Menschen vor Ort. Natürlich gab es auch überzeugte Kämpfer, Spione und Verräter, aber die meisten Bauernfamilien waren der Spielball zwischen den Kriegsparteien. Sie wurden von beiden Seiten getreten. Marcela Machaca Mendieta hat früher selbst mit gekickt, aber seit der Leistenoperation im vergangenen Winter hat sie noch einige Probleme mit dem Laufen. Also sitzt die 48 Jahre alte Agrarwissenschaftlerin auf der Tribüne und schaut zu. Ihre Schwester Victoria steht gegenüber bei den Schiedsrichtern. Sie leitet die Gruppe für Waisenmädchen von ABA, der lokalen Organisation, die sich seit zwanzig Jahren für ein besseres Leben in Quispillaccta einsetzt. Natürlich dreht sich bei ABA viel um Ernährungssicherung, Umweltschutz und Vermarktungsstrategien für ökologischen Knoblauch oder Hochlandkäse aus Kuhmilch. Deshalb bekommt sie auch Spendengelder von der Deutschen Welthungerhilfe. Darüber hinaus geht es aber auch um den Erhalt der indigenen Kultur, um ein stärkeres Selbstbewusstsein und die Aufarbeitung der Kriegstraumata. Jeder Mensch in Quispillaccta leidet noch heute unter den Folgen des Bürgerkrieges, selbst junge Leute wie Gladis Nuñez. Als sie 1996 zur Welt kam, war das Schlimmste schon überstanden. Vorbei waren die öffentlichen Hinrichtungen der Guerilla, vorbei die Folterungen des Militärs, vorbei die systematischen Vergewaltigungen der Frauen und Mädchen. Keine Leichen lagen mehr auf den Straßen, aber das Schweigen und die Angst blieben tief verwurzelt im kollektiven Bewusstsein. Als Gladis geboren wurde, starb ihr Vater. Sie war das jüngste von fünf Kindern und ihre Mutter hatte schwer damit zu kämpfen, alle satt zu bekommen. Der damalige Präsident Alberto Fujimori hatte sich bereits den Sieg über den Leuchtenden Pfad auf die Fahnen geschrieben, aber an den erbärmlichen Lebensumständen in den abgelegenen Bergen von Quispillaccta hatte er nichts geändert. Sogar den Krieg haben die Quechua-Bauern selbst aus ihrer Region verbannt. „Wir haben uns Ende der 80er Jahre eigenständig organisiert, um die Energie unserer Vorfahren wieder aufleben zu lassen“, sagt Marcela Machaca. „Das war zwar ein großes Risiko, aber es gab keine Alternative. Wir mussten etwas tun.“ Das maoistische Experiment endete im Terror Marcela Machaca hat zusammen mit ihrer Schwester Magdalena die überlebenden Schamanen und Weisen zusammengeholt und religiöse Riten durchgeführt. Sie haben das Konzept der Minka wieder eingeführt, der traditionellen Gemeinschaftsarbeit, mit der die Dorfbewohner nach und nach die Grundlagen für eine nachhaltige Landwirtschaft errichteten. „Das hat den Menschen Kraft und Zuversicht gegeben“, sagt die Agrarwirtin. Die Leute hielten wieder zusammen und der Leuchtende Pfad konzentrierte seine Aktivitäten auf Lima und andere Städte. Marcela Machaca stammt aus Unión Portreo, einer von 13 Siedlungen der Gemeinde Quispillaccta hoch oben in den Anden. Anfang der 70er Jahre kamen die ersten Anhänger des Philosophieprofessors Abimael Guzmán in die abgelegene Region, um ihr maoistisches Experiment zu starten. Die armen Hochlandbauern nahmen die Fremden freundlich auf, die Versprechen von Gerechtigkeit und Umverteilung des nationalen Reichtums erschienen ihnen verlockend. „Drei Jahre später war der Geist der Bevölkerung bereits zerstört“, sagt Marcela Machaca. Der Leuchtende Pfad hatte Hass und Misstrauen gesät und die Region als befreite Zone erklärt. Die Familie Machaca floh nach Ayacucho. Marcela studierte mit ihrer Schwester Magdalena Agrarwissenschaften. 1987 kehrten sie zurück auf den elterlichen Hof, um ihn wieder aufzubauen. Vier Jahre später gründeten sie den Verein „Asociación Bartolomé Aripaylla“, kurz: ABA. Die Wunden des Kriegs heilen nur langsam Seitdem legen sie mit ihren 13 Mitarbeitern und der Bevölkerung natürliche Wasserspeicher an, forsten Wälder auf, setzen ökologischen Dünger an und fassen Felder mit Steinmauern gegen Wind, Wetter und Viehfraß ein. Marcela und Magdalena sind ledig und kinderlos geblieben, um ihre Sache voranzutreiben. Kein Wunder, dass die Leute sie als verrückt bezeichnen. Victoria, eine weitere Machaca-Schwester, ist weniger verrückt. Sie arbeitet zwar auch bei ABA, aber sie hat immerhin ein Kind. Das zieht sie alleine auf. Wie so viele Männer verschwand der Vater noch vor der Geburt, warum auch immer. Alkohol, Depressionen und zerstörte Familienstrukturen zählen zu den langwierigen Folgen des Krieges. Deshalb versteht die 39 Jahre alte Krankenschwester die Mädchen in ihrer Gruppe auch so gut: Gladis, Carmen oder Maura – sie alle wuchsen ohne Vater oder Mutter auf, wurden ausgesetzt oder sind selbst alleinerziehend. Carmen, die Torhüterin von Catalinayocc hat das Unentschieden längst überwunden. Kichernd und gackernd hockt sie mit ihren Kolleginnen auf der Tribüne. Den Hut mit der breiten Krempe hat sie wieder aufgesetzt, das Tuch mit ihrem Baby hat sie ebenfalls auf den Rücken gebunden. „Klar bin ich alleinerziehende Mutter“, sagt sie, „das sind doch viele von uns.“ Dann verlässt sie aber ihr Mut, sie wird wieder schüchtern wie ein kleines Mädchen und hält den Mund. Carmen mag Anfang 20 sein, gut, dass sie die Gruppe hat, mit der sie über alles reden kann. „Die Mädchen gehen endlich mal aus sich heraus“ Gladis aus dem Team von Puncopata liebt vor allem Musik. „Wir machen aber alles Mögliche mit Victoria“, sagt sie. Stricken und Häkeln zum Beispiel, Körbe flechten oder tischlern. Fußball ist etwas ganz besonderes, vor allem die Turniere, bei denen die einzelnen Dörfer gegeneinander antreten. Fußball stärkt das Selbstbewusstsein, die Lungen und den Gemeinschaftssinn. „Hier gehen die Mädchen endlich mal aus sich heraus“, sagt Marcela Machaca. Dann steht sie auf – leider kann sie nicht bis zur Siegerehrung bleiben. Der nächste Termin ruft. Die Milchbauern von Pampamarca haben eine Käserei aufgemacht und wollen der Direktorin von ABA ihre neusten Produkte präsentieren. Die sollen möglichst bis nach Lima vermarktet werden. Die verrückten Schwestern haben erstaunlich viel bewegt hinter den hohen Bergen von Ayacucho.

Peru1

Ecuador

erschienen in frings. Das Misereor Magazin, Heft 1/2022

Wir sind Natur

Ecuador: Patricia Gualinga, Menschenrechtsaktivistin aus Sarayaku, Amazonas. Recherchereise für Misereor

Das indigene Dorf Sarayaku kämpft im ecuadorianischen Regenwald für die Rechte der Natur und gegen Erdölkonzerne, Holzfirmen, Berg- und Straßenbauprojekte. Patricia Gualinga ist die internationale Stimme der widerstandsfähigen Kichwa aus dem Amazonas.

Die Regenwaldaktivistin blickt entschlossen in ihre Laptop-Kamera. Sie öffnet den Mund und sagt nur zwei Worte: „Es reicht.“ Kein Blinzeln, kein Zucken, kein Lächeln huscht über Patricia Gualingas Gesicht. Die untertassengroßen Federohrringe ruhen reglos auf ihren Schultern. „Es ist Zeit für Veränderung“, fordert sie. „Den endlosen Diskussionen müssen Taten folgen, und zwar sofort.“ Die Antworten ihres weltweiten Publikums kann die Sprecherin der Kichwa-Gemeinde Sarayaku nicht hören. Die Technik streikt. Seit Stunden prasselt schwerer Tropenregen auf das Wellblechdach ihres Mietshauses in Puyo. Die Stadt ist das Tor zum ecuadorianischen Amazonasgebiet und liegt 500 Kilometer südöstlich der Hauptstadt Quito. Am Esstisch spricht Patricia Gualinga per Videokonferenz als Gastrednerin vor der UN-Arbeitsgruppe für Wirtschaft und Menschenrechte. Kompromisslos fordert sie: „Die Menschheit muss ihr Verhältnis zur Natur ändern. Sie muss von den indigenen Völkern lernen. Alles ist miteinander verbunden. Wir sind Natur.“ Was Patricia Gualinga damit meint, zeigt sie am nächsten Tag in ihrem Heimatdorf Sarayaku. Die weitläufige 1.350-Seelen-Gemeinde mit Palmendachhütten, lachenden Kindern und freilaufenden Hühnern liegt mitten im Urwald am Fluss Bobonaza. Die Bäume ragen hoch in den Himmel. Orchideen, Farne und unzählige Insekten besiedeln ihre Stämme. Leuchtende Schmetterlinge flattern in der Tropensonne über Maniokfelder. Aus Flüssen und Seen angeln die Männer mächtige Fische, und wenn die Familien Lust auf Fleisch haben, ziehen sie mit Gewehren und Blasrohren zur Jagd. „Wir leben hier im Einklang mit der Natur“, beschreibt Patricia Gualinga das Zusammenleben und schüttelt ihr pechschwarzes Haar, das ihr wie bei allen Kichwa-Frauen bis über den Po reicht. Ihre Eltern sind die traditionellen Schamanen und Weisen der Gemeinde. Sie kennen das Miteinander des Regenwaldes, seine Heilpflanzen und übernatürlichen Kräfte. Ihren sechs Kindern haben sie beigebracht, den Wald als lebendiges Wesen zu betrachten, das seine eigenen Rechte und Schutzgeister besitzt. „Jede Art von Verschmutzung oder Zerstörung gefährdet unser Leben und damit das der gesamten Welt“, sagt Patricia Gualinga. Das habe inzwischen sogar die Regierung erkannt, aber: „Egal, wer an der Macht ist, es passiert nichts.“ Der ecuadorianische Staat verankerte 2008 als erste Nation weltweit das Recht der Natur in seiner Verfassung. Trotz- dem erteilt bisher jede Regierung Förderlizenzen an internationale Erdöl-, Erdgas- und Bergbaukonzerne und plant Straßen zu bauen – ohne die indigenen Gemeinden zu konsultieren. Windenergiefirmen dringen in den Amazonas vor, um Balsaholz für Windradrotoren zu schlagen. „Das ist nicht nachhaltig!“, schimpft Patricia Gualinga und ergänzt: „Eine Straße nach Sarayaku wäre unser Untergang.“ Bisher ist die Kichwa-Gemeinde nur per Kanu oder Propellermaschine zu erreichen. Eindringlinge bleiben damit unter Kontrolle. Straßen treiben Siedler, Abenteurer und Rohstoffkonzerne in den Amazonas. In Ecuador, Peru, Kolumbien, Venezuela, Bolivien und Brasilien holzen sie das kostbare Tropenholz ab, bohren nach Erdöl, Gas oder anderen Bodenschätzen, suchen Gold, verschmutzen Luft und Flüsse und vertreiben die indigene Bevölkerung von ihren angestammten Territorien. Auf den kahlen Flächen züchten sie Rinder oder bauen genmanipulierte Sojabohnen an, die für den Export bestimmt sind. Extremwetter wie das verheerende Jahrhunderthochwasser des Flusses Bobonaza im März 2020 sind die Folgen dieses Raubbaus an der Natur. Für den Erhalt des Amazonas kämpft die Familie Gualinga seit über 30 Jahren. Jedes Familienmitglied nutzt dabei seine eigenen Stärken. Patricia konnte schon immer Klartext reden. Ihr Kommunikationstalent entdeckte die Abiturientin 1992 beim großen Marsch der ecuadorianischen Amazonas-Völker nach Quito. Ein Journalist fragte die junge Demonstrantin, worum es den 1.200 Indigenen aus 100 Dörfern eigentlich gehe. Sie antwortete knapp: „Ganz einfach: Wir wollen unsere Landtitel!“ Tatsächlich übertrug die Regierung den indigenen Völkern über eine Million Hektar Land. Sarayaku erhielt 135.000 Hektar. Die Schürfrechte blieben jedoch beim Staat. Vier Jahre später bekam eine argentinische Ölgesellschaft die erste Erdölkonzession auf dem Gebiet von Sarayaku. 2002 begannen die Bohrungen unter militärischem Schutz. Die Fischer, Jäger und Sammlerinnen aus Sarayaku leisteten gewaltlosen Widerstand gegen Sprengsätze, Raubbau und Vertreibung. Der Staat brandmarkte sie jedoch als Terroristen. Es gab blutige Auseinandersetzungen, Festnahmen, Folter. Patricia Gualinga brachte den Fall Sarayaku mit Unterstützung verschiedener Organisationen vor den Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte. Die einstige Radiomoderatorin und Tourismusbeauftragte der Amazonasregionen war eine der Hauptzeuginnen im Prozess, sie übersetzte zwischen Kichwa und Spanisch und sorgte dafür, dass die Hälfte der Delegierten weiblich war. Die Rechte von Frauen liegen ihr ebenso am Herzen wie die Rechte der Natur und des lebendigen Waldes.

Ecuador

Paraguay

erschienen in Spick, Heft 1/2022

Ich verdiene Geld für meine Familie 
(Gabriel, 12 Jahre)

Paraguay: Kinderarbeit plus Bildung. Recherchereise für Brot für die Welt

© Kathrin Harms

Gabriel arbeitet als Schuhputzer am Busbahnhof von Asunción. Der zwölfjährige Junge aus Paraguay ist stolz auf seine Arbeit. Mit dem Verdienst unterstützt er seine Familie. Zur Schule kann er zum Glück trotzdem auch.

Läuft bei Gabi Gabi ist heute wieder mal der Schnellste. Nach einer Stunde Schuheputzen hat der Zwölfjährige schon 27.000 Guaraní verdient, das sind gut vier Schweizer Franken, etwas mehr als er für eine warme Mahlzeit braucht. „Läuft“, sagt der fleissige Arbeiter und grinst, während er sich den Riemen seines Schuhputzkastens über die Schulter wirft und weitergeht. Schnell richtet er den Blick nach unten auf die Füße der Menschen. Je mehr Geld Gabi verdient, desto mehr freut sich sein Vater. Denn der verdient als Straßenhändler selbst zu wenig, um seine drei Jungs satt zu kriegen. Gabi heißt eigentlich Gabriel Pino Gonzalez. Sein Arbeitsplatz ist der Zentrale Omnibusbahnhof (ZOB) von Asunción. Über Paraguays Hauptstadt reisen jeden Tag rund 25.000 Passagiere durch den Rest des südamerikanischen Landes oder in die Nachbarstaaten Brasilien, Argentinien und Bolivien. Anders als in der Schweiz, ist es Paraguay ganz normal, sich die Schuhe von anderen Leuten putzen zu lassen. Für Gabi und seine 15 minderjährigen Kollegen gibt es also viel zu tun. So flitzen sie durch die Reihen der Wartehalle und bieten ihre Dienste an. 40 Rappen für vier Minuten Die Lautsprecher plärren die nächsten Abfahrtszeiten durch die Halle. Verkäuferinnen preisen Gebäck, Tee oder Süßigkeiten an. Gabi tippt einen Soldaten mit schwarzen Lederstiefeln an die Schulter und fragt: „Lustrar?“ – „putzen?“ Der schüttelt den Kopf. Auch ein Geschäftsmann mit braunen Halbschuhen winkt ab. Also läuft Gabi raus in den Abfahrtsbereich. Bei den Busfahrern hat er Glück. Ein Stammkunde gibt ihm lachend die Hand und stellt seinen Fuß auf die Holzkiste. Gabi setzt sich auf den Fußboden und lässt seine Bürste über das Leder fliegen. Fürs Säubern, Eincremen, und Polieren braucht der kleine Profi knapp vier Minuten. Dafür bekommt er 3.000 Guaraní, gut 40 Rappen. „Den Preis haben wir selbst festgelegt“, erklärt Gabi und hebt stolz die Brust. Wir, das ist die Organisation der jungen Schuhputzer am Busbahnhof ONALTOA. Die gibt es seit 30 Jahren. Kinderarbeit, ganz legal Früher war der ZOB ein sehr gefährlicher Ort für Kinder. Aber seitdem sich die Kinderschutzorganisation Callescuela (Strassenschule) um die jungen Schuhputzer kümmert, haben sie nichts mehr zu befürchten. Im Gegenteil: Gabi und seine Kollegen dürfen hier ganz offiziell arbeiten, denn eigentlich ist Kinderarbeit unter 14 Jahren auch in Paraguay verboten. Weil es aber so viele arme Familien in Asunción gibt, macht die Stadt für die Jungs von ONALTOA eine Ausnahme. „Eine bessere Arbeit gibt es nicht“, sagt Gabi. „Alle Verkäufer, Busfahrer und Händler kennen uns. Hier passiert uns nichts. Außerdem passt Sergio auf uns auf.“ Sergio hilft in allen Lagen Sergio Guillén ist der Sozialarbeiter von Callescuela. Der Mann mit dem dicken Bauch, Bart und grauen Zopf betreut die Jungs auf dem Busbahnhof. Mit ihm können sie über alles reden. Wenn sie traurig sind, tröstet er sie. Wenn sie sich streiten, schlichtet er. Samstags spielen sie gemeinsam Fußball, aber sie lernen auch ihre Rechte als Kinder kennen, organisieren sich als Gruppe und legen ihre eigenen Regeln fest. Diese lauten neben dem Festpreis fürs Schuheputzen: Jeder muss zur Schule gehen, mindestens zwei Mal pro Woche bei der Hausaufgabenhilfe mitmachen, einen Tag pro Woche freimachen, an den Gruppentreffen teilnehmen und sich fair gegenüber den anderen verhalten. Für Gabi ist das alles selbstverständlich: „Die Jungs sind doch meine besten Freunde! Da spanne ich ihnen doch keine Kunden aus!“ Zu viert in einem Zimmer Der Busbahnhof ist Gabis zweites Zuhause. Sein richtiges Zuhause liegt eine Stunde mit dem Bus entfernt am Stadtrand von Asunción. In einem kleinen Haus mit Garten lebt er mit seinem Vater und den Brüdern Ronald Matías, 10, und Alvin, 8. Seine Mutter sieht er seit der Trennung der Eltern nur zwei bis drei Mal im Jahr. Deshalb kümmern sich die Jungs mit ihrem Vater gemeinsam um Hühner, Haushalt und Garten. Sie schlafen auch zusammen in einem Bett, denn das Haus hat nur eine Küche, ein Bad und ein Zimmer. Frühstück und Abendessen bereitet Gabis Papa zu, mittags essen die Jungs in der Schule. Nach dem Unterricht kann Gabi es kaum erwarten zur Arbeit zu fahren. Wenn er gegen 13 Uhr am Busbahnhof ankommt, meldet er sich als erstes bei Sergio. Dann putzt er ein bis zwei Stunden Schuhe und trinkt zwischendurch einen Tee oder eine Limo mit den anderen. Nachhilfe im Container Gegen 15 Uhr versammeln sich die jungen Schuhputzer im Container am Rande des Busbahnhofs zur Nachhilfe. Heute ist Mathe an der Reihe. Die Lehrerin hat die Rechenaufgaben bereits an die Tafel geschrieben: 4.093 x 64. Gabi grübelt über seinem Heft. Mathe ist sein Lieblingsfach, aber diese Aufgabe fällt ihm trotzdem schwer. „Ich will meinen Abschluss schaffen“, sagt er. Dass er das trotz vier bis fünf Stunden Arbeit am Tag erreichen kann, haben die großen Jungs von ONALTOA bewiesen. Einige haben sogar studiert und arbeiten jetzt als Rechtsanwälte oder Buchhalter. Sie besuchen ihre Nachfolger regelmäßig, um sie zu unterstützen und zu motivieren, die Schule abzuschließen. Gabi ist auf dem besten Weg in die Fußstapfen seiner Vorbilder zu steigen. Er ist ein guter Schüler, übernimmt Verantwortung für seine Familie und er ist fleißig. Pro Tag verdient er rund 13 Schweizer Franken. „Das Geld gebe ich meinem Vater, damit meine kleinen Brüder vorankommen und wir in die Schule gehen können“, sagt er. Sein mittlerer Bruder Ronald Matías darf mit zehn Jahren auch schon bei ONALTOA arbeiten, Alvin wartet sehnsüchtig darauf, dass er auch bald alt genug ist. Traumberuf: Fußballprofi Gabi will am liebsten Fußballprofi werden, wie die meisten Jungs in seinem Alter. Dafür trainiert er voller Eifer im Verein seines Stadtteils. Einen eigenen Fußball hat er leider nicht. „Zu teuer“, sagt er und zuckt mit den Schultern. Den Beitrag für den Trainer zahlt er von seinem Einkommen als Schuhputzer. Auch die Schulhefte, -uniform, -stifte und das Mittagessen gehen von seinem Lohn ab. Den Rest gibt er dem Vater für die Strom- und Wasserrechnung, das Essen und Kleidung oder Seife. Dafür spendiert der Vater seinen Jungs sonntags auch mal den Besuch im Schwimmbad, ein Eis oder eine große Flasche Cola. Wenn Gabi so weiter macht, kann er sich vielleicht irgendwann seinen Traum erfüllen: Ein Fußballmatch im Maracanã-Stadion in Rio de Janeiro miterleben. Kasten Paraguay liegt im Herzen von Südamerika. Die Hauptstadt des Landes ist Asunción. Amtssprachen sind Spanisch und Guaraní, der Hauptsprache der indigenen Bevölkerung. Seit Mitte der 1990er Jahre werden große Waldflächen für den Sojaanbau gerodet. Dadurch verlieren Kleinbauern und Indigene ihre Lebensgrundlage. Sie gehen in die Städte, um Arbeit zu finden. Dort leben sie meist in extremer Armut. Rund 436.000 Kinder und Jugendliche helfen ihren Eltern beim täglichen Überleben, das bedeutet: fast jedes vierte Kind zwischen sechs und 17 Jahren arbeitet. Die Organisation Callescuela hilft den arbeitenden Kindern, ihre Rechte einzufordern. Brot für die Welt, das Hilfswerk der evangelischen Kirche in Deutschland, unterstützt sie dabei.

Paraguay

Peru

erschienen in der Frankfurter Rundschau vom 7./.8. Januar 2017

Der Avocado Boom hat seinen Preis

Peru: Der Avocado-Boom hat seinen Preis

© de.freepic.com

Die Avocado gilt als wundersame Superfrucht. Sie ist im Dip, im Smoothie, in der Körperlotio. Eines ihrer Hauptanbaugebiete ist Peru. Dort ist die Kehrseite des Trends zu besichtigen. Das Wasser für die Plantagen kommt aus dem Hochland - und fehlt dort den Alpakazüchtern.

Gwyneth Paltrow schwor bereits vor Jahren auf die Wunderkraft der Avocado. Jetzt hat die US-Schauspielerin ein neues Kochbuch herausgebracht. Die Fans lieben vor allem ihre Avocado-Toasts. Drama-Queen Miley Cyrus schmiert sich das grüne Fruchtfleisch ins Gesicht und erntet dafür 3.570 kreischende Kommentare auf Instagram. Dieselbe Plattform nutzte der deutsche Lebensmittelkonzern Edeka für seine sportliche Produktwerbung im vergangenen Sommer: „Unsere Avocado ist in Topform – genau wie die Sportler der Deutschen @Olympiamannschaft! Keep it on!“ Im Rennen um die Goldmedaille der sogenannten Superfoods ist die Avocado ganz weit vorn. Ihr hoher Nährstoffgehalt macht sie zu einer der gesündesten Obstsorten weltweit: Über 20 Vitamine und Mineralstoffe stecken unter der ledrigen Schale, darunter Vitamin A, C, E und K, Folsäure, Kalzium, Kalium und Magnesium. Trotz hoher Fettanteile enthält sie kaum Cholesterin, dafür aber jede Menge ungesättigte und damit gesunde Fettsäuren. Richtig konsumiert soll die Avocado sogar beim Abnehmen helfen. Die Kosmetikindustrie hat die Wunderfrucht längst in Körpermilch, Gesichtspflege und Co. verarbeitet. So ist der Verbrauch von Avocados in den vergangenen fünf Jahren in Deutschland um mehr als ein Drittel gestiegen. 44.650 Tonnen gingen 2015 über die Kassenscanner, Tendenz steigend. Kampf um internationale Marktanteile Hinter dem Boom steckt nicht allein der Zeitgeist. Die Erzeugerländer bewerben ihren Exportschlager mit allen Raffinessen moderner Marketingstrategien. Als Hauptlieferant des deutschen Marktes startete Peru 2014 eine breit angelegte Kampagne mit Probierständen in den Supermärkten, intensiver Pressearbeit und einer internationalen Website unter dem Namen „Köstliche Avocados“. Dahinter steht der peruanische Verband der Produzenten von Hass-Avocados. Der will nichts anderes, als Weltmarktführer Mexiko den Rang abzulaufen. Wie Mexiko hat jedoch auch Peru mit den Folgen der exportorientierten Agrarindustrie zu kämpfen. Diese belegt nach Bodenschätzen und Fischereierzeugnissen Platz drei auf der Liste peruanischer Ausfuhrgüter. Neben klassischen Produkten wie Kaffee, Zucker oder Baumwolle vertreibt der Wasserstress in Perus Anbaugebieten Eines der Hauptanbaugebiete ist die Region Ica. Nur 300 Kilometer südöstlich der Hauptstadt Lima wachsen an der trockenen Küste die aufstrebenden Exportschlager. Allein in der Provinz Ica um die gleichnamige Regionalhauptstadt herum stehen rund 400 km² Land unter Pflug. Das entspricht etwa der Fläche von Bremen und erscheint auf den ersten Blick nicht viel – die gesamte Provinz ist halb so groß wie Schleswig-Holstein. Die Felder dehnen sich aber von Jahr zu Jahr aus. Nur die Anbaufläche von Avocados hat sich in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdreifacht. Im Jahr 2014 produzierte die Provinz auf 1.235 Hektar über 10.000 Tonnen der birnenförmigen Früchte mit dem harten Kern. Mehr als 90 Prozent verließen das Land per Schiff oder Flugzeug. Der größte Teil ging nach Europa und in die Vereinigten Staaten. Jetzt wollen die Avocadoproduzenten den chinesischen Markt erobern. Dafür müssen sie den Ertrag extrem steigern. Die peruanische Pazifikküste ist so staubtrocken wie Kalifornien. Avocadobäume, grüner Spargel oder Weinstöcke brauchen aber viel Feuchtigkeit. 2011 hatte die nationale Wasserbehörde ANA (Autoridad Nacional del Agua) erstmalig den Wassernotstand für Ica erklärt. Die Region lebt seit Jahren über ihre Wasserverhältnisse. Aktuell verbraucht sie 76 Prozent mehr Wasser als die lokalen Ressourcen hergeben. Also sinkt der Grundwasserwasserspiegel, die Böden versalzen. Diesen Trend können auch die Wassermassen aus den oberen Anden nicht aufhalten. Seit einem halben Jahrhundert ermöglicht ein System aus Stauseen und Kanälen auf 4.500 Metern Höhe die grüne Revolution in Icas Wüste. Ohne weitere Maßnahmen, so die Behörde, seien innerhalb von zehn Jahren mehr als drei Viertel aller landwirtschaftlichen Nutzflächen von extremer Wassernot betroffen. Der exportorientierte Anbau soll aber wachsen und so beschloss das peruanische Landwirtschaftsministerium im April 2014, 650 Millionen Soles (rund 174,4 Millionen Euro) in die Erweiterung des Kanalsystems und größere Stauseen 200 Kilometer nordöstlich von Ica zu investieren. Trockene Weiden und wütende Menschen Damasco Auris Nuñez ist stinksauer. Der Alpakazüchter steht mit bebender Brust vor dem Hauptkanal Choclococha. Der windet sich wie eine überdimensionierte Carrerabahn durch die karge Hochgebirgslandschaft. Drei Meter hat sich das Bauwerk neben seinen Füßen in die steinige Erde hineingefräst. An der Oberfläche ist es neun Meter breit. Noch ist das Betonbett leer, aber wenn die Regenzeit in zwei Monaten beginnt und der Pegel des Stausees Choclococha steigt, verwandelt sich der Kanal in eine gigantische Hochleistungstrasse, durch die das Wasser mit hoher Geschwindigkeit hinab Richtung Küste rauscht. „Hier sind schon Menschen zu Tode gekommen“, wettert Damasco Auris Nuñez. Zum Beispiel der Neffe seines Nachbarn Julián Villa Ramos. Der vierjährige Bengel fiel beim Spielen in den reißenden Strom. Elf Kilometer weiter unten blieb seine Leiche an einem Brückengitter hängen. Nur wenige Zäune schützen Menschen und Tiere vor dem Absturz. Im vergangenen Jahr ersoffen fünf Alpakas von Auris Nuñez in den Fluten. Das passiert regelmäßig. Der Kanal durchtrennt traditionelle Weidegründe und Landbesitz. Er verhindert natürliche Abläufe und Versickerungsprozesse. Hochmoore und Weiden vertrocknen, den Alpakas geht das Futter aus. Hinzu kommt der Klimawandel: Die Gletscher sind geschmolzen, die Temperaturen gestiegen, die Böden werden immer tockener und Extremwetter wie plötzliche Starkregen nehmen zu. Wenn diese das Fassungsvermögen des Kanals überlasten, öffnet das staatliche Unternehmen PETACC (Proyecto Especial Tambo Ccaracocha) die Schleusen. Dann überschwemmen die Wassermassen die Weiden, Felder und Hütten der Viehzüchter. Ricardo Pérez kann ein Lied davon singen. „Wenn sie den Kanal öffnen, steht mein Land wochenlang unter Wasser“, berichtet der 72-Jährige mit einem müden Seufzer. Wie jeden Morgen hat er seine Herde auf die Weide getrieben und verschnauft sich in der taufrischen Luft. Kein Laut ist zu hören. Nur die Alpakas summen beim Grasen wie ein emsiger Bienenschwarm. Ricardo Pérez spricht weiter: „Die Sonne erhitzt das stehende Wasser, es bilden sich Bakterien, Gase steigen hoch. Die Tiere bekommen Durchfall und Infektionen. Viele sterben.“ Der Kanal windet sich mitten durch das Land des Alpakabauern. Weil Brücken fehlen, kann Ricardo Pérez die oberen Flächen nicht mehr nutzen. So ist sein Land und damit auch seine Herde um mehr als die Hälfte geschrumpft. Früher besaß er 500 Alpakas und 80 Schafe, heute sind es 230 und 55. „In zehn Jahren habe ich rund 200 Alpakas und 90 Schafe durch Krankheit oder Ertrinken verloren“, sagt der alte Mann. Er zeigt einen Haufen Briefe und Anträge, in denen er Entschädigungen von PETACC für seine Verluste sowie den Bau von zwei Brücken fordert. 2013 hatte er um Arbeitsplätze für seine Kinder gebeten, da der Kanal die Familie in schwere Armut gestürzt hat. „Nichts ist passiert“, sagt er leise. „PETACC beschäftigt schon lange niemanden mehr von uns. Ich habe oft überlegt, dass ich weggehen müsste. Aber wohin soll ich denn gehen? Ich habe immer hier gelebt. Das ist mein Land.“ Traditionelle Rechte gegen Wirtschaftsinteressen Seine Vorfahren haben seit Jahrhunderten auf dem Hochplateau von Castrovirreyna Alpakazucht betrieben. In Höhen zwischen 4.000 und 5.000 Metern gibt es kaum andere Einkommensmöglichkeiten. Das Leben der Viehzüchter ist immer hart und voller Entbehrungen gewesen, aber es hat eine lange Tradition. Die Quechua gehören zu den indigenen Völkern und genießen nach internationalen Vereinbarungen wie dem Übereinkommen 169 der Internationalen Arbeitsorganisation oder den Freiwilligen Leitlinien zu Landnutzungsrechten besondere Rechte auf ihr Land, das Wasser und ihre Kultur. Peru hat beide Verträge ratifiziert. Das Übereinkommen trat allerdings erst 1989 in Kraft, die Leitlinien 2012. Das Kanalsystem Choclococha entstand in den 1950er Jahren. Unter dem diktatorischen Präsidenten Alberto Fujimori wurde es in den 90er Jahren modernisiert und seitdem regelmäßig erweitert. Jetzt soll die Staumauer am See Choclococha um sechseinhalb Meter erhöht und ein zusätzlicher Kanal von 73 Kilometer Länge gebaut werden. Das wollen die Quechua-Familien nicht hinnehmen. „Wir sind nicht gegen das Projekt, aber wir wollen endlich unseren Nutzen daran haben“, sagt Damasco Auris Nuñez. Der 43-Jährige lässt seinem Frust freien Lauf: „60 Jahre leiden unsere Familien nun schon unter dieser Ungerechtigkeit! Der Kanal nimmt uns das Wasser weg, damit die Unternehmen in Ica reich werden und wir dürfen es nicht einmal nutzen. Ich bin es leid. Wir werden handeln. Wir werden uns wehren, die Straße blockieren und die Arbeiter nicht zum See durchlassen!“ Seinen Worten zufolge droht dem Andenstaat ein neuer sozialer Konflikt. Die peruanische Ombudsstelle zählte im September 2016 bereits 146 aktive Auseinandersetzungen. Die meisten drehen sich um den Abbau von Rohstoffen wie Kupfer, Zink oder Gold. Oft ist Gewalt im Spiel, denn die Menschen in den Abbaugebieten werden meist weder in die Planungen miteinbezogen, noch bekommen sie irgendeine Art von Entschädigung. Private Unternehmen und die Regierung in Lima handeln die Lizenzen meist unter sich aus. So auch in Ica: Während die Produzenten von Avocados, Baumwolle oder Spargel erfolgreiche Lobbyarbeit zu ihren Gunsten betreiben, bleiben die Rechte von Don Ricardo, Damasco Auris Nuñez und den anderen 5.000 Quechua-Familien im Wassereinzugsgebiet unbeachtet. Der Fluch natürlicher Ressourcen „Dies ist ein klarer Fall von Wasserenteignung“, meint Javier Alarcón von der Welthungerhilfe. Der Koordinator für Südamerika besucht zum ersten Mal das Projektgebiet. Zusammen mit der peruanischen Partnerorganisation CEPES (Centro Peruano de Estudios Sociales) und der Regionalregierung von Huancavelica, in der die Provinz Castrovirreyna liegt, will die deutsche Organisation die Rechte der Bevölkerung und damit ihre kleinbäuerliche Landwirtschaft und Viehzucht stärken. Dafür führt sie Workshops und Aufklärungskampagnen vor Ort durch und betreibt Lobbyarbeit auf verschiedenen Ebenen bis hin zur Nationalregierung. „Huancavelica gehört zu den ärmsten Regionen des Landes, obwohl sie reich an natürlichen Ressourcen wie Quecksilber, Kupfer, Gold oder Wasser ist“, erklärt Alarcón. „Davon haben schon immer die privaten Exportunternehmen profitiert. Von den Gewinnen fließt kaum etwas in die Region zurück.“ Zwar existieren staatliche Sozialprogramme wie Schulspeisungen, Krankenversicherungen oder Seniorenhilfe. In den mittleren Lagen existiert seit 2015 auch ein staatliches Bewässerungsprogramm für kleine bis mittlere Familienbetriebe. Trotzdem ist jedes dritte Kind unter fünf Jahren unterernährt. Die Armutsrate liegt bei knapp 50 Prozent. „Der natürliche Reichtum unserer Region ist schlecht kapitalisiert worden“, sagt Pedro Cabrera, Leiter für Natürliche Ressourcen und Umweltmanagement der Regionalregierung von Huancavelica. „Die benachteiligte Bevölkerung hat keinerlei Nutzen von diesem Kanalsystem. Alles folgt nur der Logik, bei uns das Wasser abzuzapfen, damit die Küste davon profitieren kann. Es existiert kein ganzheitliches Wassermanagement und das macht sich bemerkbar. Die Wassereinzugsgebiete sind ein fragiles Ökosystem, das gepflegt und nachhaltig bewirtschaftet werden muss. Das ist keine Kuh, die man endlos melken kann. Uns geht das Wasser aus!“ Cabrera fordert Mitsprache bei der Projektplanung. Er will die wirtschaftlichen Aktivitäten in seiner Region fördern, die Wasserquellen und Hochmoore schützen und das Wissen der Quechua-Bauern für den Aufbau eines nachhaltigen Wassermanagements nutzen. „Wir wollen ein Spezialprojekt Huancavelica-Ica, das allen nutzt“, sagt er mit Nachdruck. Ein erster Meilenstein auf diesem Weg ist der Runde Tisch, an dem seit August 2015 Regierungsvertreter aus beiden Regionen und Lima mit Kleinbauern, Unternehmern und Vertretern der Zivilbevölkerung ins Gespräch kommen. Dass dieser Dialog den weiteren Ausbau des Kanalsystems tatsächlich beeinflussen kann, glaubt Cabrera selbst kaum: „Da sind sehr starke Interessen im Spiel“, sagt der Amtsträger. Und weltweit steigt die Nachfrage nach grünem Spargel, Weintrauben oder der wunderbaren Avocado.

Peru

Schweden

erschienen in Nordis 2013

Über den Dächern von Stockholm
- Luftige Stadtgeschichte

Stockholm: Dächertour im Schnee. Reisereportage

Eine Klettertour über der Stockholmer Altstadt bietet spannende Aus- und unerwartete Einblicke.

Still ist es hier oben. Und windig. Natürlich! Über den Dächern von Stockholm weht ein anderes Lüftchen als zwischen den Häuserzeilen 40 Meter tiefer unten im Schnee. Ich stopfe den Schal noch etwas fester ums Kinn und ziehe die Mütze weit in die Stirn hinein. Trotzdem knistern die Nasenhärchen bei jedem Atemzug. Nachdem wir uns durch die Dachluke ins Freie gequetscht und uns mit den Sicherungsseilen arrangiert haben, wagt unsere kleine Abenteuergruppe einen ersten Blick in den knallblauen Winterhimmel. „Unglaublich!“, ruft Jessi aus Frankfurt. „Wow!“, entfährt es Thomas, dem Dänen. Dann greift er zur Kamera, um seine Liebste vor der spektakulären Kulisse abzulichten: eine verirrte Bergsteigerin in voller Montur, Helm und Sicherheitsgurt inklusive. Gegen elf Uhr dreißig haben wir uns an diesem Sonnabend auf dem Birger Jarls Platz eingefunden. Während ganz Stockholm im Kaufrausch durch die Fußgängerzonen hastet, wollen wir uns das Gewühl von oben ansehen. Schnell haben uns die Leute von Upplev Mer in zwei Gruppen eingeteilt: die meisten kommen in die Führung für Einheimische, wir Ausländer gehen auf englisch-sprachige Klettertour. Fünf Stockwerke höher landeten wir auf dem Dachboden des alten Reichstagsgebäudes, wo Helme und Klettergurte in allen verschiedenen Größen auf uns warteten. Bis auf Kameras und Mobiltelefone durften wir keine Gegenstände mitnehmen. „Wir wollen die Passanten doch nicht mit irgendwelchen Sachen beschmeißen“, sagte Joel Lallerstedt, unser Tourguide, bevor das Abenteuer losging. Nein, das wollen wir auf keinen Fall und jetzt weiß ich auch, warum wir den ganzen Krams im Schließfach aufbewahrt haben. „Hat irgendjemand Höhenangst?“, fragt Joel mit einem breiten Grinsen. Alle schütteln die Köpfe, aber dennoch klammern wir uns an jedem greifbaren Geländer fest. Joel und seine Kollegen haben den Häuserblock des alten Reichstags mit seinen drei Innenhöfen zu einem Kletterparcour umgebaut. Schmale Stiege aus Stahl und Eisen ziehen sich über die Dächer, alle paar Meter befindet sich eine Aussichtsplattform. Die schrägen Dächer sind über rutschfeste Stufen zugänglich gemacht worden und damit niemand abstürzt, ist jeder über ein Drahtseil neben den Stiegen gesichert. Am Anfang haken die Sicherungsschlitten noch in jeder Kurve, aber auch das bekommen wir schnell in den Griff. „Also“, sagt Joel auf der ersten Aussichtsplattform. „Wir befinden uns hier, wo alles begann. Stockholm wurde im Jahr 1254 gegründet, zumindest stammt das älteste Dokument aus dieser Zeit.“ Rund 850 Jahre später lassen wir den Blick von der Ritterinsel über die Stadt schweifen. Goldene Turmspitzen und funkelnde Kupferdächer krönen die Begräbniskirche der schwedischen Könige zu unserer Linken. Zum Greifen nah ist auch die Kirchturmuhr dieser Riddarholmskyrkan. Im Nordosten weht die schwedische Flagge auf dem aktuellen Parlament und rechts daneben macht sich der Königspalast im alten Stadtkern breit. „Dort wurde die erste Festung gebaut, um den Eingang zum See zu kontrollieren“, erklärt Joel. Aus unserer Vogelperspektive wird völlig klar, dass die alten Schweden den Standpunkt extrem gut gewählt haben: Im Westen erstreckt sich der Eingang zum Mälarsee, hinter dem Königspalast beginnt der Zulauf zur Ostsee. Dazwischen liegen die 14 großen und kleinen Inseln, die heute die schwedische Hauptstadt bilden. Wir haben Glück mit dem Wetter. Gestern noch hat es ununterbrochen geschneit, aber heute verwandelt die Wintersonne die Stadt in ein Glitzermeer. Joel erklärt uns die einzelnen Stadtteile, gibt Szene- und Insidertipps und erzählt viele Anekdoten. Zum Beispiel, dass Karlsson vom Dach weit drüben in Djurgården seinen Propeller anschmeißt, um Lillebrors Fleischbällchen aufzufuttern. Oder dass die Henker ihre Hinrichtungen früher auf der höchsten Erhebung Södermalms vollzogen. „Zur Abschreckung sollten alle Stockholmer sehen, wie diese Leute umgebracht wurden“, sagt Joel und grinst. Zu gerne begleitet er die nächtliche Dächertour. „Im Dunkeln geht es bei uns um Mord und Blut und Folter und dann erzählen wir eine ganz andere Geschichte von Stockholm“, sagt er und lässt dabei seine Stimme dramatisch beben. Leider gibt es diese Tour nur auf Schwedisch. „Alles klar mit euch?“, fragt Joel, nachdem er lässig die nächste Plattform erklommen hat. „Keine Schwindelattacken?“ Nein, in dieser Gruppe hat niemand Höhenangst. Joel sowieso nicht. Während des Studiums verdiente er seinen Unterhalt im Winter mit Schneeschippen auf den Dächern. „Das machen hier viele“, sagt er. „Die Arbeit ist ganz gut bezahlt, aber das ist natürlich ein Knochenjob.“ Dann bringt er uns über zwei Leitern zu der gefährlichsten Stelle der Tour: Ein schmaler Grat ohne Geländer und ohne Seile. Zur Rechten klafft der Abgrund eines Innenhofes, zur Linken steigt das Dach um flache 30 Grad an. Dazwischen erstreckt sich ein schmaler Steg. Also Augen auf und durch! Bloß nicht nachdenken – einfach einen Schritt nach dem anderen setzen. Das haben schon ganz andere Leute geschafft und zumindest haben wir ja noch die Sicherung zu unseren Füßen. Etwas wackelig aber stolz überwinden alle fünf Dachtouristen die kritische Stelle. „Man sollte jeden Tag etwas tun, das einem Angst macht“, sagt die Dänin und strahlt. „Zur Belohnung stehen wir jetzt auf dieser Plattform mit 360-Grad-Panorama“, sagt Joel. Tatsächlich bietet der Standpunkt eine gigantische Sicht. Wir atmen tief ein und ein erhabenes Gefühl breitet sich aus. Hier oben zeigt sich Stockholm von seiner schönsten Seite. All die Hektik und der Großstadtlärm liegen tief zu unseren Füßen. Nichts davon dringt zu uns hoch. Wir fühlen uns wie in Watte gepackt. Niemand will diesen Moment zerstören. Schließlich ergreift Joel die Initiative und scheucht uns durch die Dachluke zurück in die Realität. Zu schade, aber es wurde tatsächlich auch etwas kalt da draußen. Vielleicht lernen wir Schwedisch, um eines Tages die Grusel-Tour im Dunklen mitzumachen. Jetzt wärmen wir uns aber erst einmal in einem der gemütlichen Cafés mit einem Heißgetränk auf.

Stockholm
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